Liebe Eltern,
im August waren es 20 Jahre, dass Lady Diana an den Folgen des schweren Autounfalls in Paris starb. Weit über zwei Milliarden Menschen verfolgten einige Tage später ihre Beerdigung, weltweit wurde heftig um sie getrauert.
Mir war sie früh als sehr mutige Frau aufgefallen, bereits zu einer Zeit, als sie von vielen noch als schlicht naive, junge Erzieherin (manche nannten sie auch ein junges, unerfahrenes „Dummchen“) betrachtet wurde. Warum schaute man sie als „junges Ding“, irgendwie als eben unerfahrenes „Herzchen“ an? Dabei kann man aus meiner Sicht als Eltern viel von ihr lernen. Und ich neige wirklich überhaupt nicht zu gefühlsduseliger Klatschpresse-Leserei.
Empathie und Elternliebe statt starres Protokoll
Zu jener Zeit gab das Protokoll im Hochadel – übrigens in sämtlichen Königs-Häusern Europas – noch vor, dass die Erwachsenen ihr königliches Leben leben, auf (Dienst-)Reisen gehen, ihre Kinder aber dann lange Zeit bei Nannys zu Hause zu bleiben haben.
Diana widersetzte sich diesem strikten Protokoll und weigerte sich, ihre Kinder über lange Zeit Dritten zu überlassen. Ich erinnere mich gut, wie sprach- , ziemlich spöttisch und eher verständnislos die Kommentare waren, dass diese junge Frau entgegen allem Protokoll mit ihren kleinen Kindern reisen wollte. Wie kam sie denn auf so eine Idee? Als Adlige hatte man das doch nicht nötig, schließlich konnte sie doch sämtliche Privilegien an der Seite des zukünftigen Königs genießen und die Kinder-Plage zu Hause lassen? Warum wollte sie es partout ? So verwundert äußerte man sich Anfang der 1980er-Jahre noch.
Ich sehe die Bilder im Fernsehen aus dieser Zeit noch vor mir, wie sie als Erste eines Königshauses mit ihrem kleinen Sohn aus dem Flugzeug trat, bei der langen Reise ans andere Ende der Welt, nach Australien. William war auf ihrem Arm und als erstes königliches Kind ab sofort einfach dabei – Diana ließ nicht zu, dass ihr Sohn sie über lange Zeit vermissen würde. Als noch kaum öffentlich über Gefühle und Sehnsüchte kleiner Kinder und über die Wichtigkeit ihrer Bindungen zu ihren ersten Bezugspersonen gesprochen wurde, forderte Diana die Rücksichtnahme genau darauf kurzerhand ein und wagte es, der Tradition eines weltweit bedeutsamen Königshauses öffentlich die Stirn zu bieten. Sie war gerade mal 21, 22 Jahre alt!
Ich fand ihr Einfordern und Handeln nur mutig und hatte ab da vor ihr echte Hochachtung – auch wenn andere sie nur ein „unerfahrenes Mädchen“ nannten.
Geliebt werden und Kind sein dürfen, wichtiger als alles andere
Gestern sendete der NDR eine Dokumentation, in der ihre Söhne reichlich (die meiste Zeit mit Strahlen in ihren Gesichtern) erzählten, wie schön es war, ihr Kind zu sein, sie zur Mutter zu haben. Dass Diana darauf aus war, viel Zeit mit ihnen zu haben, dass sie gute Laune versprühte, zu Schabernack, Spiel und Späßen aufgelegt war und sie sie als ihre Jungs Kinder sein ließ, mit allem Spiel, auch mit reichlich Dummheiten, die für sie nun mal dazu gehörten. Sie verstand und vermittelte ihnen, dass Kinder nicht nur wohlerzogen und angepasst sein können, sondern einfach kindlich sein wollen mit allem, was für Kinder (ob adlig oder nicht …) sein muss. Sie bestärkte ihre Söhne darin, Kind zu sein. Parallel hierzu nahm sie sie wohl auch sehr früh mit zu den Unterprivilegierten der Gesellschaft, besuchte mit ihnen die Aids-Kranken (zu einer Zeit, als Aids noch als reine Schwulenkrankheit angesehen wurde), oder Obdachlose, war mit ihnen bei Notleidenden, und ließ sie (um William zu zitieren), das „ganz normale“ Leben, mit allen Tiefen, außerhalb der Palastmauern miterleben.
Beide, William und Harry erzählen davon, wie stark sie bis heute ihre Liebe spüren, dass sie dieses Gefühl, in ihren wohl-erzogenen, aber gerade mit ihren kindlichen, auch frechen Seiten stark geliebt worden zu sein, durch ihre Mutter bis heute in sich spüren. Und natürlich kam auch Trauer zu Wort, dass es ein Schock war, diese Mutter plötzlich verloren zu haben.
Liebe, Zuneigung und Mitgefühl machen Eltern zu echten Vorbildern
Mich beschäftigte beim Zuhören und Zusehen einmal mehr die Frage, was es alles war, dass Diana schließlich weltweit bewundert wurde. Von wegen „naives Dummchen“.
Es war einerseits ihr Strahlen, ihre offensichtliche Schönheit. Ganz sicher bin ich aber, dass es besonders ihr Mut war, dass sie sich weigerte, sich wegen Äußerlichkeiten – in ihrem Fall wegen der höfischen, adligen Tradition, um des Protokolls willen („So ist das bei Hofe, im Adel, schon immer!“) – zu beugen, sondern sie sich leeren, herzlosen Einstellungen widersetzte. (Nicht nur bezüglich ihrer Kinder, auch bezüglich der adligen Gepflogenheit, dass alle Prinzen von Wales eine Mätresse haben und die Ehefrau das eben zu dulden habe).
Diana stand zu ihrem Erleben und Empfinden – obwohl auch sie, bis zum Krankwerden Selbstzweifel hatte – und stand königlich dafür ein. Ihr Gefühl sagte ihr, dass ihre Kinder sie brauchen, davon wich sie nicht ab, egal was Traditionen, Protokolle, Vorgaben und das Leben der Anderen um sie herum sagten.
Sie stand für Gefühl und Mitgefühl, lebte beides mit ihren Kindern, nährte sie dadurch und zeigte ihnen, worauf es zuallererst ankommt im Leben.
Schließlich wurde sie weltweit darin geachtet, und – obwohl ihr der Titel „königlich“ aberkannt worden war durch die Scheidung – wurde sie mit ihrem Eintreten für Mitmenschlichkeit und Mitgefühl, mit ihrer Warmherzigkeit zur Königin für viele. So wie sie war, wurde sie weltweit stark geliebt.
Was Eltern von Diana lernen können – und wie das Kinder glücklich macht
Meine Gedanken gestern während ich den Söhnen zuhörte: Alle Eltern sollten es Diana gleich tun.
Alle Mütter, alle Väter sollten für sich eintreten, sollten sich für ihre Gefühle entscheiden (egal was unser „Protokoll“ des modernen Lebens sagt, was als Norm vorgegeben wird, was alle machen, was wir um des guten Rufes willen, um unseres Ansehens in der Gesellschaft, oder wegen unserer Existenz oder Akzeptanz zu tun oder zu lassen haben ..!).
Mütter und Väter sollten es wagen, sich zu bekennen: Dass ihre Kinder in ihrer Sorge an erster Stelle stehen; Eltern sollten ihre königliche Energie ernst nehmen und für die Gefühle ihrer Kinder, deren Sehnsucht nach Bindung eintreten, sollten dem aktuell gültigen, bürgerlichen Protokoll widersprechen!
Dieser Tage pfeifen es die Spatzen von den Dächern, und ein Dr.Eric Schweitzer aus dem Präsidium der Industrie-und Handelskammer unserer Republik sagte es im Morgenradio (SWR) vor wenigen Tagen rundheraus, so ungeschönt und klar wie selten: Deutschland habe Fachkräfte-Mangel. Die Frauen müssten in die volle Erwerbsarbeit, die Kinder-Betreuung müsse dringend auch ab frühem Alter der Kleinen ausgebaut werden.
Bei Hofe heißt das Protokoll: Empfänge und internationales Reisen, für die Kinder zuallererst Erziehung nach adliger Etikette.
Stellen Sie Ihre Kinder an die erste Stelle – nicht die Erwartungen um Sie herum!
In den bürgerlichen Kreisen heißt das Protokoll inzwischen: Schnell und früh, äußerst zügig in die Erwerbs-Arbeit zu gehen; das ist aktuelle Norm, an die sich alle im Land halten sollen. „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ heißt die bürgerliche „Etikette“ und für die Kinder wird es „Frühe Bildung“ genannt.
Ob bei Hofe oder im bürgerlichen Leben: Es geht bei beiden Protokollen nicht um zentrale Bedürfnisse von Kindern. Ob adlig oder bürgerlich, alle Kinder haben nachweislich zuallererst eine Erfahrung am nötigsten: Dass sie tagaus tagein das Gefühl bekommen, stark geliebt zu werden; und dass sie ihrer Sehnsucht nachgeben dürfen, nämlich möglichst reichlich Zeit mit ihren Eltern zusammen zu sein, ihre nächsten Lieben viel täglich erleben zu können. Das ist es, was Kinder klug, stark, emotional und auch intellektuell intelligent macht (genau nachzulesen, warum das so ist, bei Prof. Dr. G. Hüther : „Jedes Kind ist hochbegabt“).
Seien Sie als Eltern Könige der Herzen 🙂
Dass man zeitweise und zwischendurch etwas Hilfe durch eine Nanny braucht, das wäre es, worauf alle Eltern, ob adlig oder bürgerlich gewisse Stunden in der Woche immer Anspruch haben sollten, denn ALLE brauchen auch Hilfe beim Versorgen ihrer Kinder.
Wir sollten also nicht ausschließlich die herzlich strahlende Diana für ihre Warmherzigkeit und ihren Mut bewundern, sondern wir alle sollten unsere königlichen Züge entdecken. Für Kinder in den ersten Jahren ihres Aufwachsens sind alle Eltern „Königin“ und „König“.
Kinder haben Sehnsucht, und wie Diana wären wir mutig, uns öffentlich und rundheraus für die Sehnsucht unserer Kinder stark zu machen, also zu widersprechen, was uns derzeit das moderne Protokoll vorgibt: also nicht mehr die Kinder die meiste Zeit den Nannys zu überlassen (weil das die Wirtschaft und die derzeitige Familienpolitik so will), sondern Gefühle ernst zu nehmen, für Warmherzigkeit einzutreten und unsere königliche Rolle im Leben kleiner Kinder wahrzunehmen.
Übrigens: Es gehört (nicht nur bei Diana) für alle dazu, dass sie in der elterlichen Arbeit existentiell gesichert werden müssen. Für jegliche Eltern gilt: Dass sie, die für Kinder sorgen, das Sorgerecht und das Recht auf existentielle Absicherung haben. Dass wir für eine gerechtere Familien-, Steuer-und Renten-Politik eintreten (nachzulesen bei J. Borchert oder R.Stadler) , die es nicht zulässt, dass Eltern arm werden, wenn sie Zeit mit ihren Kindern brauchen und daher nicht beide ganztags außer Haus arbeiten können.
Lassen wir uns vom Mut und der Warmherzigkeit einer Frau anstecken, trotz aller Zweifel (unter denen sie als Prinzessin genauso wie wir reichlich litt) und wagen wir es, dem derzeit vorgegebenen Protokoll zu widersprechen.
Ich wünsche Ihnen und mir, dass durch Ihre Zuneigung und Ihr gemeinsames Vergnügt-Sein Ihre Kinder ein Strahlen und eine emotionale Sicherheit in sich tragen, dass sie sich in einem positiven Lebensgefühl von klein an geadelt fühlen und sie ihren Mitmenschen warmherzig begegnen – genau wie William und Harry …
Stehen Sie zu Ihrer Warmherzigkeit, haben Sie Mut, beides adelt …
Bis bald wieder (mit etwas Pause, da ich ab heute ein wenig in die Ferienzeit abtauche),
Ihre Ingrid Löbner