Allgemein

Auf den Spuren von Pippi, Michel & Co.

Liebe Eltern,
dieses Jahr folgte ich einer Einladung von Freunden, sie einmal in ihrem Haus in Schweden, in Smaland zu besuchen.
Ich habe diese Einladung mit Freude angenommen und wir hatten zusammen eine wunderschöne Zeit.
Seit vielen Jahren war ich nicht mehr in Schweden und war ganz neu begeistert, wie überbordend reich an Wasser und Pflanzen die Landschaft Südschwedens ist, nicht zu vergessen die vielen großen Steine der letzten Eiszeit, die überall, wie von Riesen hingeworfen, in der Landschaft liegen. Angesichts dieser Verwunschenheit konnte ich sofort wieder nachempfinden, wie viele Sagen und Märchen die Menschen hier spüren und sich seit Jahrhunderten erzählen, die sich den Werken von  Schwedens weltberühmten Autorinnen etwa  Selma Lagerlöf und natürlich allen voran Astrid Lindgren wiederfinden. 

P1100084

Ich hatte die Gelegenheit, Astrids Lindgrens Elternhaus Näs, nahe der Stadt Vimmerby liegend, zu besuchen; und nicht nur Näs, sondern ebenfalls die keinesfalls spektakuläre Kleinstadt Vimmerby, die jedoch weltberühmt wurde, weil Astrid Lindgren ihren Meisterdetektiv Kalle Blomquist hier durch die Gassen streifen und seine wichtigen Beobachtungen anstellen ließ.
Es erfüllt einen mit Kribbeln und Spannung, wenn man sich genau auf jenen Wegen bewegt, über die Astrid Lingrens Füße als Kind ebenfalls gingen, und mir fielen beim Umhergehen  all ihre Geschichten ein, die sie als Schriftstellerin dazu niederschrieb und zu denen sie in Interviews  immer wieder sagte, dass alle ihre Erzählungen sich stark aus ihren realen Erfahrungen als Kind speisen.

Von Lindgren lernen, von Berlin bis Bullerbü

Sie hat, wie sie selbst sagte, oft und viel darüber nachgedacht, was ihre Kindheit auszeichnete und warum sie ihr Kindsein so genießen konnte. Und sie kam beim Nachdenken zu dem Schluss,  dass ihre Kindheit wesentlich von zwei Phänomenen geprägt war: Als Kind erlebten sie und  ihre Geschwister reichlich Geborgenheit durch ihre liebevollen Eltern (und durch die meist kinderlieben Knechte und Mägde, die mit auf dem Hof arbeiteten); dazu große Freiheit, nämlich viel, ausgedehnt und überall als Kinder spielen zu dürfen.

IMG_6135Überall – in den Scheunen und auf dem ganzen Gelände des Bauernhofes, in den umliegenden Wiesen und Wäldern, an den Bachläufen und Seen, und, und, und …. So vieles gibt es hier anzuschauen (und im beiliegenden Museum wird vieles dazu erklärt), was man aus den Büchern kennt: Die weißen Hühner, die Astrid Lindgrens Mutter besonders mochte und immer weiter züchtete, deren Hühner-Vorfahren in den Michel- Geschichten an selbigen Kirschen pickten, die Michel doch vergraben sollte, weil sie alkoholisch vergoren waren! Im Tischler-Schuppen kann man sitzen, der Astrid Lindgren die Inspiration gab, dass er Rückzugs-Ort von Michel wurde, wenn es allzu heiß um ihn und seine Einfälle herging; und man kann nachlesen oder durch Autoguide erzählt bekommen, dass viele Michel-Erlebnisse einen realen Hintergrund hatten in den Erzählungen von Astrids Vater, der – wie Michel – als kleiner Junge auf einem smaländischen Bauernhof groß wurde und ganz wie Michel dabei viel erlebt hatte.

Geborgenheit und Freiheit ist, was Kinder brauchen

Die Familie  Lindgren lädt die Besucher herzlichst und mit überaus freundlichen Worten ein, den Aufenthalt in Näs zu genießen, es den Kindern von damals gleich zu tun und reichlich zu spielen, zu balancieren und mit den Füßen im Bach zu plantschen. Lesen Sie selbst … Und, kaum zu glauben: Man kann Pippi Langstrumpfs Limonandenbaum bestaunen! Nein, hineinklettern kann man als Besucher nicht mehr, aber die Familie Ericsson-Lindgren trifft sich in Näs manchmal zu Familienfesten und dann finden die heutigen Kinder der Familie doch tatsächlich das eine oder andere Mal Süßes im Baum! Es gibt diesen Baum mit seinen Wundern also ganz und gar wirklich.
IMG_6105 KopieDas ist es, was einen beim Besuch von Näs so berührt: Das Liebevolle der Familie ist bis heute, in der Art, wie sie mit ihren vielen (Museums-) Gästen umgehen, immer weiter zu spüren. Ebenfalls die Freiheit, zu spielen und den Tag in Näs zwischen Scheunen, Bäumen, Gärten, auf allen Wegen zu genießen und das zu tun, was einem einfällt und gefällt. Denn eines wird klar: In der Alltäglichkeit, die die Gebäude und Wege haben,  spürt man beim Umhergehen nur zu gut, dass all das heute Bestaunte in der Zeit der Ericsson-Kinder ein ganz normaler, typischer Bauernhof in Smaland war. Noch dazu ist das Gelände heute umgeben von unserer Welt: Häuser und Wohnblöcke unserer Zeit. Und es wird einem beim Umhergehen klar, dass es tatsächlich und wirklich diese zwei „Dinge“ sind, die Kinder immer weiter brauchen, damit sie eine reiche und beseelte Kindheit erleben können, damit sie auch als Erwachsene in ihren Gefühlen reiche, beseelte und liebevolle Menschen bleiben können: Ausreichend viel Geborgenheit und dazu Freiheit, um echte Erfahrungen im wirklichen Leben zu machen und um spielen,  spielen, spielen zu können. Damit Sie nicht glauben, das sei nur auf einem großen Hofgelände möglich? Keinesfalls! Ich durfte das Wohnhaus von Astrids Eltern von innen besichtigen und hörte die Person, die uns die wenigen  und eher kleinen Räume zeigte, Folgendes erzählen:  Im, mit sehr schönen Möbeln eingerichteten Schlafzimmer der Familie (in dem übrigens ganz selbstverständlich die Kinder als jüngere Kinder mit in den Betten der Eltern schliefen!) durften Astrid und ihre Geschister, wann immer es ihnen einfiel (und wie Sie sich denken können, fiel es fiel den Kindern täglich ein), das Spiel  „Nicht den Boden berühren“ spielen. Sie finden es in den Lindgren-Büchern wieder! Das bedeutet, dass Astrid und ihre Geschwister auf sämtlichen, wirklich guten Möbeln täglich reichlich herumkletterten; ebenfalls in der (nicht großen) Küche reichlich umhersprangen und durch die, die Räume verbindenden Türen, viele Male das eher wilde Spiel „Kickse-Kickse-Huhh“ spielten – auch dieses Spiel kennen Sie aus den Lindgren-Büchern.

IMG_6137Lassen Sie Ihre Kinder ihre Welt entdecken und Räubertöchter und Lausejungen sein

Also: werden Sie großzügig und lassen Sie sich anstecken und geben Sie Ihren Kindern Liebe, dazu die Freiheit, draußen und drinnen Erfahrungen zu machen und zu spielen, dort, wo das Leben spielt und wo die Phantasie Ihrer Kinder sich ihre Nischen sucht.
Halten Sie sich getrost an Astrid Lindgren, die im Museum sinngemäß mit dem Worten zu hören ist: „Wenn man Kindern die Möglichkeit zu spielen nimmt, nimmt man ihnen die Lust zu leben.“
Wer weiß, was Ihr Kind eines Tages für sich und Andere an Wohltuendem aus seinen beseelten Erfahrungen als Kind jetzt  später als erwachsene Person  in unsere Welt trägt! Auf Menschen, die Liebe, Geborgenheit und Freiheit reichlich um sich her verströmen, wird unsere Welt immer weiter angewiesen sein .
Genießen Sie, wo immer möglich, neben all Ihrer notwendigen Arbeit auch Zeit fürs Verweilen, fürs Spiel und fürs Erzählen. Ich ließ mich in den vergangenen Tagen wohltuend von den Schweden im Allgemeinen anstecken – man erlebt sie im Alltag weniger hektisch und weniger getrieben.
Alle Bilder, die Sie hier sehen, sind Aufnahmen aus Vimmerby und Näs: die Einladung der Familie an die Besucher, den Limonadenbaum, die Schaukeln da und dort und nicht zuletzt: Balance-Akte, natürlich über ein Brennnessel-Beet – denn etwas Gefahr gehört bei Lindgren zum Glück bei allen Erlebnissen auch immer dazu… 😉
Bis zum nächsten Mal, herzlich
Ihre Ingrid Löbner

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.