Liebe Eltern,
nun noch ein weiterer Beitrag zum Thema Ruhe, Muße und Tagträumen kleiner Kinder – da das Thema Unruhe und Schlaflosigkeit das große Thema ist, das so viele Eltern beschäftigt wie meine Beratungsarbeit zeigt. Völlig zu Recht, denn: Dauernde Anspannung und Nervosität im Leben mit Kindern macht schlechte Stimmung und zehrt an den Nerven. Gute Nerven, und Ruhe sind aber aus meiner Sicht das Wichtigste was Eltern für ein Glückliches und gelassenes Zusammenleben mit Ihren Kindern brauchen.
Ausreichend Zeit für Schlaf und ausreichend Zeit zum Spielen
Im Wesentlichen sind es diese zwei Faktoren, die das Leben mit Kindern gelassener und ruhig werden lassen. In diesem Beitrag nun noch einmal der Fokus auf Ruhe und Schlafen – das Thema Spielen kommt dann in einem meiner nächsten Posts hier wieder an die Reihe.
Im letzten Beitrag habe ich beschrieben, wie Sie als Eltern mit Ihren Kindern kleine „Ruhe-Inseln“ (neben der zuvor beschriebenen Ruhe-Insel des Rücken- Tragens) einrichten können, um ins Tagträumen und mehr Ruhe zu finden. Dieses Tagträumen ist ein wichtiger Zustand, weil er dem Kind quasi das „kleine Gebüsch“ ermöglicht, das vor dem, bildlich gesprochen,von ihnen gefürchteten „Dschungel des Schlafs“ liegt. Dösen, Tagträumen, Muße, wenn man das gemeinsam als wohltuend und schön erlebt, ermöglicht das dem Kind den Übergang, sich überhaupt in den Schlaf fallen lassen zu können.
Wenn ich, wie beschrieben, Eltern oft das Auf-den Schoß-nehmen und Halten der kindlichen Füße zeige, erlebe ich viele, die sich schwer tun, ihr nervöses, im Raum umhergeisterndes Kind etwas zu nötigen, bei ihnen auf dem Schoß zu bleiben. Die Frage, die sich feinfühlige, dialog-orientierte Eltern heute stellen, ist: „Darf ich denn mein Kind so festhalten, so nötigen, etwas zu tun, was es nicht freiwillig tun will?“
Soll ich mein Kind zur Ruhe „zwingen“ – ist das nicht genau das Gegenteil davon was wir alle wollen?
Eine gute Frage, denn -zum Glück- heißt heute eine Grund-Einstellung in der Erziehung, dass wir die Bedürfnisse von Kindern hören und auch auf sie eingehen. Wenn das Kind aber umhergeistern will – wieso darf und soll ich es jetzt daran hindern? Über diese Frage habe ich oft nachgedacht. Wann ist man berechtigt, ein Kind gegen seinen Willen zu nötige
Es ist die Beobachtung der Kinder, die mich zur Antwort geführt hat:
Kleine Kinder neigen aus ihrer unendlichen Neugierde heraus dazu, trotz Müdigkeit immer weiter die Welt zu erkunden. Wenn sie müde sind, keine Kraft mehr haben, führt das aber zu nur noch unruhigem, nervösem Explorieren, das in keinerlei Spiel mehr führt. Wenn ich das täglich so sehe, kommt mir immer folgendes Bild in den Sinn:
Das Ganze wirkt auf mich, als würde das kleine Kind wie ein kleines Boot ohne Steuermann auf dem großen Meer, auf den starken Wellen der Neugierde umhergewirbelt. Was braucht ein kleines Boot, das nur noch wackelt und schaukelt? Die Antwort ist eindeutig: Man muss dieses kleine, von den Wellen gebeutelte Boot zwischendurch ins Schlepptau eines großen Bootes nehmen, denn sonst wird das zu anstrengend – ein Kind quengelt und nörgelt entsprechend.
Seien Sie der Ruhe-Anker für Ihre Kinder
Kinder spüren bei Müdigkeit häufig nicht mehr, was ihnen jetzt helfen würde. Weil das so ist, brauchen sie im Zustand von Müdigkeit und Überforderung noch Eltern, die ihnen durch Orientierung helfen, um sich auf „hoher See“, den Wellen ihrer Neugierde nicht nur im Kreis zu drehen. Im Bild gesprochen ist naheliegend, was wir tun müssen: Wir werfen ein Tau zu, das das Kind verankert, es in ruhiges Fahrwasser zieht. Dieses Tau sind unsere Hände, die das Kind auf den Schoß hieven, die seine Füße halten, damit sie nicht loslaufen, es ist insgesamt unser haltender Körperkontakt, der ein Kind aus dem Wirbel herausholt ins ruhige Gewässer des Dösens, des Tagträumens, der Muße.
Da man IMMER beobachten kann:
– wie Kinder sich durch beruhigenden, klaren Kontakt selbst besser wahrnehmen,
– wie ihre Hände statt nach außen zu allen möglichen Sachen, zu ihrem eigenen Körper gehen, sie ihre Hände in die Mitte, meist zum Mund führen, oder sie mit ihren Händen ihre Beine und Füße anfassen,
– ihr Körper auf dem Schoß der Eltern seine Anspannung loslässt, sie körperlich weich und anlehnend werden,
– sie dabei den typisch kindlichen, verträumten Blick bekommen,
kann man zusehen, wie ihnen dieses Gehaltenwerden hilft, ins Tagträumen zu finden.
Endlich entsteht eine Atmosphäre, in der sie Spannung loslassen, auf dem Körper eines Elternteils ihr „schaukelndes Boot“ aufgeben, sich dem Tau der Eltern überlassen, ihre Überforderung los- und ruhigwerden.
Die Antwort auf obige Frage ist also aus meiner Sicht eindeutig:
JA – ein Kind in diese Ruhe zu leiten ist erlaubt, denn auf den „starken Wellen der Unruhe“ wird nur allen Angst und Bang,es entsteht Genervtsein und Unruhe, die sich gegenseitig verstärken. Eltern verlieren ihre Kraft, häufig auch die Lust, mit ihrem Kind noch viel zu machen, alles geht ihnen nur noch auf die Nerven. Kinder verlieren ihre Konzentrationsfähigkeit.
Aus meiner Sicht ist nichts auf Dauer so wichtig wie die elterliche Energie und Lust, Kinder angemessen zu versorgen. Also MÜSSEN Eltern bei müden Kindern den Überblick über die Situation, die Steuerung übernehmen, müssen sich selbst anlehnen, sich gemütlich wohlig hinsetzen und ihr Kind mit ins Boot nehmen. Keine Sorge – Kinder nehmen das nicht übel. Wenn sie ruhiger werden, spüren sie, wie schön es ist. Dann werden sie auch wieder kooperativer – die gute Stimmung trägt alle. Im Moment erstmal wohin? JA – Richtung mehr Träumen und Schlaf! Beides schafft die Voraussetzung, dass in unserem Gehirn starke, ruhige Strukturen entstehen – das fördert unser gemütliches Zusammensein und nebenbei gleich auch noch die Klugheit – was wollen wir mehr?
Also, Stress lass nach … auf sämtlichen Ebenen … probieren Sie es aus, ich freue mich auf Ihre Anregungen und Kommentare!
Bis zum nächsten Mal, herzlich
Ihre Ingrid Löbner