Ja, Kinder, und ganz besonders kleine Kinder, sind drauf aus, von allem viel zu wollen. Warum? Ist das berechtigt? Oder eher gar nicht? Die Fähigkeit, zu verzichten, wird von uns allen im Leben erst im Lauf von Jahren gelernt. Und auch Erwachsene sind ja immer wieder maßlos, ja, wollen es zu betimmten Zeiten auch gerne sein, mal „einen drauf machen“, mal alle Zügel schleifen lassen, bei Festen, bei Ausgelassenheit, bei besonderen Anlässen. Dann genießen wir es alle und finden es auch wichtig, dass man so ist. Und sind froh, wenn es nicht nur ganz selten so ist.
Wenn man Kleinkinder beobachtet (so etwa bis drei, oder vier Jahre), dann fällt auf, dass sie dauerhaft drauf aus sind, immer nochmal und immer noch mehr zu wollen. Aufgrund der Stufen ihrer psychischen Entwicklung scheint mir, dass sie noch ganz und gar dabei sind, ihr „Ich-Gefühl“ zu stärken. Ihr „Ich-Gefühl“ ist noch so neu, dass sie einfach ständig „Ich will“, „Ich auch“, „Ich will selber“, „Ich will mehr“ sagen. Wahrscheinlich tun sie das so stark, weil das ihrem Ich und ihrem Lebensgefühl generell hilft, starke Wurzeln zu bekommen. Mit diesem starken und dauernden Bedürfnis, für sich viel und das Meiste einzufordern, sorgen sie dafür, dass ihre Wurzeln viel „Nahrung“ bekommen und sich gewissermaßen in der „Erde“ ihrer gerade erst beginnenden Persönlichkeit gut verankern können.
Teilen will gelernt sein – Kompromisse können helfen
Man kann Kleinkinder durchaus immer darauf hinweisen, dass noch andere da sind, mit denen man dies und jenes etwas teilen muss; auch darauf, dass man von ganz schwierigen Dingen, wie dauernden Süßigkeiten oder zu viel passives Fernseh-Gucken eher krank wird, man davon also einfach nicht ständig „Mehr“ haben kann. Aber wenn man dieses kleinkindliche Verhalten öfter mit dem Blick sieht, dass etwas Maßlosigkeit nötig ist, um das „Ich-Gefühl“ eines Kleinkindes gut zu „düngen“ und zu stärken, dann kann man das „Ich“, „Ich“, „Ich“ gelassener hören, mehr mit einem Schmunzeln betrachten und hat wahrscheinlich auch freundlichere, gelassenere Ideen, um Kompromisse mit seinem Kind zu finden. Dann macht man eben eine kleine Regel aus, die etwas „Luft nach oben“ lässt und man gibt ab und zu eben doch ein klein wenig nach. Das schadet nicht.
Seien Sie nicht immer nur streng mit ihren Kindern – „üben“ Sie gemeinsam
Wenn Kinder dazuhin ausreichend oft unter Kindern sind und in der Gruppe erleben, dass von allem immer alle bekommen, dass man nicht alles alleine bekommen kann, dass es gerecht zugeht und alle Kinder aushalten müssen, dass das, was da ist, für alle reichen muss, dann lernen sie ab etwa vier Jahren aufwärts sowieso, nicht zuletzt aufgrund ihrer zunehmenden psychischen Reife und ihrer zunehmenden Freude an Regeln, dass Verzicht in der Gemeinschaft mit anderen zu ertragen ist.
Also, seien Sie nicht extrem streng – üben Sie manchmal etwas Verzicht mit Ihrem Kleinkind, aber immer wieder noch mit Gelassenheit und Schmunzeln, und geben Sie genau so gut ab und zu nach.
Langfristig ist gut, wenn wir alle lernen zu verzichten, denn der ganze Planet stöhnt darunter, dass wir Menschen zur Zeit die Grenzen seiner Belastbarkeit etwas überschätzen. Aber eben – wir werden erwachsener, wenn wir Verzicht schließlich aushalten können, ihn ohne Einbuße für unser Lebensgefühl wirklich ertragen. Kleine Kinder sind aber nicht erwachsen, sondern sind noch Kinder, kleine noch dazu.
Fangen wir also bei uns zuallererst an und schauen mal, wie es uns geht, wenn wir ab und zu Verzicht leben und aushalten. Mit mehr Verständnis und häufigem Schmunzeln üben wir dann auch mit unseren Kindern….
Bis bald, für heute erstmal herzlich
Ingrid Löbner